appunto-Leiter Pierre Freimüller ist Buchautor und Autor von Buchteilen. Er hat zahlreiche Artikel in Medien veröffentlicht.
Bücher und Artikel von Pierre Freimüller
Diese sind auf folgender Seite zu finden:
appunto in den Medien
Weitere Publikationen von Pierre Freimüller
Wikileaks löste 2010 eine Krise mit der Veröffentlichung von 250'000 Dokumenten des US State Department aus
Was kann man aus Wikileaks für Krisen-PR lernen?
Ende November 2010 verbreitete Wikileaks mehr als 250'000 streng vertrauliche Dokumente, welche US-Diplomaten ans State Department gerichtet hatten. Die Aufregung war gross, weil die Dokumente z.T. peinliche Aussagen über fremde Staatsoberhäupter enthielten, strategische Pläne aufdeckten und Manöver der Verhandlungstaktik publik machten Die Dokumente waren über das Intranet der US-Administration mehreren Millionen Personen zugänglich. Alle Verrenkungen, Anschuldigungen und Rechtfertigungsversuche von US-Politikern wirkten im Vergleich mit dem Inhalt der publik gewordenen Dokumente unglaubwürdig.
Die Situation erinnert an den Konflikt um die nachrichtenlosen Vermögen, als die «SonntagsZeitung» im Januar 1997 ein Schreiben des Schweizer Botschafters in den USA, Carlo Jagmetti, veröffentlichte, in dem dieser den Senator Alfonse D'Amato und die jüdischen Organisationen als «Gegner» bezeichnete, von denen man «den meisten nicht vertrauen kann». Dieses durch ein Leck bekannt gewordene Schriftstück kostete ihn seinen Job.
Was sind die «lessons learned» aus dieser Panne?
1. Ob in öffentlichen Verwaltungen oder privaten Unternehmen: In grossen Organisationen ist es
|
|
zunehmend schwierig, Dokumente über lange Zeit geheim zu halten.
2. Darum sollten Dokumente immer so verfasst werden, dass bei einer möglichen Veröffentlichung keine umständlichen Rechtfertigungen nötig sind. Das hat mit Leistetreterei nichts zu tun. Mit Gradlinigkeit, Konsistenz und Integrität jedoch viel.
3. Für exponierte Personen gilt: Es gibt Dinge, die man denken darf, aber besser nicht reden sollte – allerdings ist es von Gutem, auch seine Gedanken hin und wieder in Frage zu stellen. Es gibt Dinge, über die man reden darf, aber nicht schreiben sollte. Und wenn darüber geredet wird, besser nur unter vier Augen. Es gibt Dinge, die man schreibt, um sie andern mitzuteilen oder für die Zukunft zu sichern. Schreiben sollte man aber nur nach Überlegung und am besten so, dass man jederzeit zum Inhalt stehen kann.
Wir staunen immer wieder in Krisenfällen, zu denen wir als Experten der Krisen-PR beigezogen werden, wie sorglos mit «heissen» Informationen umgegangen wird. Da sind Dokumente auf PCs offen zugänglich, liegen vertrauliche Papiere auf dem Fotokopierer, werden Unterlagen unverschlüsselt per E-Mail verschickt, in offenen Umschlägen durch ungeschulte Mitarbeitende herumgetragen, auf Laptops geladen, in Zügen bearbeitet oder diskutiert. Heikle Informationen müssen mit äusserster Sorgfalt gehandhabt werden.
|
Libyen-Affäre
und BP-Ölpest:
Lehrstück
für Krisen-PR
Die Libyen-Affäre von 2008 bis 2011 um die Schweizer Geiseln in Gaddafis Hand und die BP-Ölpest-Katastrophe im Golf von Mexiko infolge des Brandes und des Versinkens der Bohrplattform "Deepwater Horizon" im Jahr 2010 weisen Gemeinsamkeiten auf.
Was kann man daraus für Krisenmanagement und Krisen-PR lernen?
1. Nicht zu viel versprechen. In beiden Fällen wurden in der Krisen-PR sehr frühzeitig vollmundige Versprechen abgegeben. Als diese dann nicht eingehalten werden konnten, reagierten Medien und Politik umso aggressiver. In der Krisen-PR vor allem keine Termine versprechen, die man nicht sicher einhalten kann. Auch wenn die Ursache anderswo liegt, zerstört das Nichteinhalten eines versprochenen Termins jede Glaubwürdigkeit.
2. Priorität dem Handeln. In der Krisen-PR soll man über Gutes reden, das man getan hat. Aber zuerst muss man es tun. Und sich mit überschwänglicher Kommunikation zurückhalten.
3. Der Oberste ist nicht immer der beste Krisenmanager. Der Schweizer Bundespräsident Hans-Rudolf Merz gab sich der Lächerlichkeit preis, als er selbst nach Libyen reiste und dort nicht von Muammar al-Gaddafi persönlich empfangen wurde. Zudem musste er Libyen eine Reihe empfindlicher Zugeständnisse machen und kam trotzdem mit leeren Händen zurück. BP-Chef Tony Hayward machte bei seinen Besuchen an der Front stets einen eher hilflosen Eindruck. Gut gemeint – aber ungenügend für glaubwürdige Krisen-PR.
|
|
4. Krisen-PR straff koordinieren. Die Krisen-PR in beiden Fällen war selbst eine Krise. Zu viele widersprüchliche Versionen zirkulierten, Verlautbarungen und Dementis folgten sich. Das zerstört jeglichen Rest von Vertrauen dauerhaft. Jedes Wort zählt: In der Krisen-PR zur Libyen-Affäre wurde mit ungeschickten Äusserungen Verwirrung gestiftet und Öl ins Feuer gegossen. Und Hayward erwarb sich mit Ausfälligkeiten einen Ruf als schlechter Krisen-PR-Manager.
5. Keine faulen Tricks anwenden. BP kaufte Suchbegriffe auf Suchmaschinen und publizierte manipulierte Fotos ihres Krisenzentrums. Das kam sofort aus und zerstörte massiv Vertrauen. In der Libyen-Affäre mussten immer wieder falsche Informationen korrigiert werden. Auch Schuld abschieben bringt nichts. In beiden Fällen schob die Krisen-PR den Schwarzen Peter mal dem, mal jenem zu. Dies wirkt ebenfalls kindisch und unglaubwürdig.
6. Schlechte Krisen-PR fällt auf Personen zurück. BP-Chef Tony Hayward musste wegen seiner miserablen Krisen-PR seinen Sessel räumen. Und seit Merz’ Libyen-Besuch wurde dieser zum Rücktritt gedrängt.
7. Die Politik nicht unterschätzen. Politiker suchen Themen, um sich in Szene zu setzen, Medien Schlagzeilen, um sich zu verkaufen. Bei schlechter Krisen-PR gehen beide eine unheilige Allianz ein. Sehr zum Schaden des bereits lädierten Krisenunternehmens oder der angeschlagenen Behörde. So geschehen in der Libyen-Affäre. Obamas Zorn gegen BP und die grimmigen Äusserungen verärgerter Kongress-abgeordneter verfehlten ihr Ziel nicht.
|
nach oben |