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Pierre Freimüller, Geschäftsleiter appunto communications, Zürich

Umgang mit Medien in Krisensituationen

In Krisen klaren Kopf bewahren

 

Ungeschicklichkeiten, Unterlassungen oder falsche Reaktionen vergrössern den Schaden und entscheiden oft darüber, ob eine Krise nur eine Schramme am Gesicht des Betroffenen hinterlässt oder diesen KO schlägt. Fettnäpfchen können sich zu infernalischen Schlünden entwickeln, denen kaum mehr zu entweichen ist. Einen guten Ruf, ein vertrauenswürdiges Image aufzubauen, verlangt Jahre; zerstören kann man diese in Minuten.

Ist der Ruf 'mal ruiniert …

Vertuschungsmanöver, Salamitaktik, Abstreiten oder gar Lügen sind in Krisensituationen so fatal wie falsch verstandene Transparenz, die Verantwortliche dazu verleiten kann, sich unnötig bis auf die Unterhosen auszuziehen oder sich von Journalisten regelrecht ausschlachten zu lassen.

Einzig mit einer umfassenden Vorbereitung aller Führungskräfte kann man sicher stellen, dass bei Krisen richtig reagiert wird. Dabei ist u.a. wesentlich, dass die wichtigsten denkbaren Krisenszenarien gründlich durchdacht und durchgespielt werden. Zwar ist keine Krise wie die andere, doch gewinnt man durch Übung die nötige Sicherheit, um in aktuellen Situationen nicht in Fallen zu tappen.

Krisensituationen können sich aus der Tätigkeit einer Organisation, eines Unternehmens oder einer Person ergeben, können aber auch von aussen über diese hereinbrechen. Zur ersten Kategorie gehören z.B. Emissionen aus Chemiewerken, Zugskollisionen oder Flugzeugabstürze; letzteres ist dann der Fall, wenn ein prominenter Kunde einer Bank plötzlich unter Mafiaverdacht kommt oder wenn ein Inhaltsstoff eines Produktes in Verruf gerät. Einige Kategorien von Krisenereignissen:

- Unfall
- Brand
- Naturkatastrophe
- Produktrückruf
- grosse technische Störung
- wirtschaftlicher Misserfolg
- Massnahme einer Behörde
- negativer Bericht eines Mediums
- persönliche Verfehlung

Die letzte Kategorie ist eine der schwierigsten; einerseits geht es dabei häufig um tabuisierte Themen, welche weder im Unternehmen, noch in der Öffentlichkeit offen und gelassen diskutiert werden können, anderseits sind die Verantwortlichen möglicherweise wegen persönlicher Betroffenheit besonders nervös. Wie der Wirbel um Thomas Borer aber zeigt, müssen gerade auch solche Situationen in Trainings vorweg genommen werden. Lieber eine unnötige Übung als ein Schaden zuviel.

Krisensituationen ergeben für Medien immer attraktive Geschichten. Journalisten bestürmen das Unternehmen, das am liebsten seine Ruhe hätte. So sehr einige versucht sein mögen, sich einzuigeln, so kontraproduktiv ist diese Haltung. Eine in Deutschland geführte Untersuchung zeigt, dass neun von zehn Journalisten sich zu intensiveren Recherchen angestachelt fühlen, wenn Unternehmen «mauern».

Doch kann man dabei auch zu weit gehen. Es gilt für die Verantwortlichen, die Grenzen zu spüren: Was ist meines Arbeitgebers, was ist mein, was gehört in die Medien? Wer sich ungenügend abgrenzen kann, weil er nicht mehr zwischen sich und seinem von den Medien geschaffenen Mythos zu unterscheiden vermag, erleidet genau gleich Schiffbruch wie jener, der allzu ängstlich den Kopf in den Sand steckt.

Der Umgang mit Medien birgt in Krisensituationen Risiken, aber auch Chancen. Punkte, die man in einer starken Herausforderung markiert, zählen doppelt bis zehnfach.

Allgemein kann man festhalten: Gerade in schwierigen Situationen ist aktive Information angesagt. Den Stier bei den Hörnern zu packen ist eindeutig die bessere Taktik. Zwar heimst man auch mit guter Information für einen Misserfolg, einen Unfall oder einen Fehler kein Lob ein, doch Respekt kann man sich allemal erwerben.

Wer zu spät kommt,
den bestraft das Leben.


Weil Medien als Profis der Informationssuche und -verbreitung ungeheuer schnell sind, ist Tempo ein Schlüssel zum Erfolg. Was nützt mir die beste Information, wenn sie erst herausgeht, nachdem die ersten negativen Schlagzeilen bereits erschienen sind? Themenführerschaft heisst das Schlagwort. Wer das Thema zuerst besetzt, bestimmt meist die Tonart. Hinterher zu hinken und Gerüchte zu dementieren ist wenig wirksam. Und der Rechtsweg, auf den immer noch einige als letzte Hoffnung zählen, erweist sich als steinige Sackgasse. Denn erstens foutieren sich Medien und aufgebrachte Öffentlichkeit oft um den Buchstaben des Gesetzes und richten sich meist nach dem, was legitim oder plausibel erscheint. Und zweitens ist der Schaden schon angerichtet, wenn der Prozess endlich stattfindet. Er wird durch die erneute Medienberichterstattung über den Prozess sogar noch weiter verstärkt.

In Krisensituationen sind für gute Kommunikation gefragt:

- Standfestigkeit, klaren Kopf wahren
- Schnelligkeit
- Klarheit (keine Vertuschungs- und Beschönigungsversuche)
- Einfühlungsvermögen (Situation der Opfer)
- Widersprüche vermeiden
- Fehler zugeben
- Massnahmen erläutern (bildet Vertrauen)
- Nie auf Spekulationen eingehen
- Kontinuität

Dies braucht einerseits Ressourcen, anderseits Vorbereitung, fehlt doch in der akuten Krisensituation die Zeit, noch organisatorische Dispositionen zu treffen. Die Kommunikationsleute im Unternehmen müssen mit genügend Kompetenzen ausgestattet sein. Doch erst der Besuch eines Kurses über Krisenkommunikation für alle Führungskräfte, die Erstellung eines professionellen Krisenhandbuches und die regelmässige Durchführung von Krisenübungen stellen sicher, dass das Unternehmen auf jederzeit mögliche Krisensituationen vorbereitet ist.

Die Medien beeinflussen alle andern Zielgruppen, von den Aktionären bis zu den Mitarbeitenden, von Behörden bis zu den Kunden. Als potente Multiplikatoren sollten wir sie also ernst nehmen und uns die Mühe nehmen, professionell mit ihnen umzugehen.


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Einige interessante Fälle

Swissair-Ende: www.sonntagszeitung.ch/sz/szNewsDossier?
dossierid=137
Shell/Brent Spar: www.shell.com/home, Stichwort Brent Spar
suchen, Dossier
Absturz Pan Am 103 (Lockerbie):
www.geocities.com/CapitolHill/5260/headpage.html oder
members.aol.com/seaeje/PA103/index.htm
Rudolf Scharping:
www.spiegel.de/spiegel/0,1518,154348,00.html
Thomas Borer: www.spiegel.de/spiegel/0,1518,190611,00.html



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