Full Service

Beratung

Schulung

Porträt

Kompetenzen

Agora

Home Email Sitemap Français English
Heisse Kulturtipps
Publikationen
Kurse, Veranstaltungen
Nützliche Links
Jobs
Gute PR-Literatur
   
zurück
   
   
Marketing-Lexikon
Krisen-kommunikation
Strategische Kommunikation
Medienabeit, Produkt-PR
Interne Kommunikation
Zeitfragen
 

 

Pierre Freimüller, appunto communications, Zürich

Auseinandersetzung ist nicht delegierbar

Change kommunizieren

Welches Unternehmen, welche Institution oder Behörde nimmt sich nicht tiefgreifende Veränderungen vor? Mehr Kundennähe, unternehmerisches Denken, Innovation, lean management sind einige Schlagwörter. Der Druck einer immer rasanter sich verändernden Umwelt zwingt Firmen, sich anzupassen, wollen sie im nächsten Jahrhundert noch dabei sein. Bis in die gebohnerten Gänge der Verwaltung ist diese Erkenntnis schon vorgedrungen.

Fast ebenso verbreitet wie die Appelle von oben zur Veränderung ist die Klage, dass die Belegschaft den Wandel nicht oder nicht im gewünschten Tempo mit vollzieht. Unfähigkeit im mittleren Management wird vermutet oder gar Sabotage befürchtet.

Das stille Kämmerlein
hat ausgedient


Bei genauerem Hinsehen ist festzustellen, dass meistens die beabsichtigten Veränderungen von der obersten Führung oder einer von ihr eingesetzten Projektgruppe im stillen Kämmerlein ausgeheckt wurden. Man nimmt sich die Mühe, in monatelanger Auseinandersetzung eine Vision, ein neues Leitbild, neue Strategien auszuhecken. Oder man krempelt Strukturen und Abläufe um, in der Hoffnung, damit das Unternehmen entscheidend zu verändern. Ideen und Vorschläge werden ausgebrütet und gründlich durchgewalkt, bis man seiner Sache sicher zu sein glaubt. Dann der langen Mühe Lohn: Die neuen Leitgedanken werden von den obersten Gremien der Unternehmung feierlich verabschiedet und in Kraft gesetzt.

Von wegen. «In Kraft setzen» würde ja bedeuten, dass diesen Gedanken eine durchschlagende Stärke verliehen wird. Meist wird ihnen jedoch in der nächsten Phase jede Kraft genommen.

Und zwar so: Jetzt bekommt die Informationsabteilung den Auftrag, das Ding zu kommunizieren. In der Hauszeitung erscheint ein Bericht über die Arbeit der Projektgruppe. Der Boss hält eine Ansprache vor versammelter Belegschaft. «Hat jemand noch Fragen?» Natürlich hat niemand – erstens ging's viel zu schnell und zweitens will man sich ja nicht als schwer von Begriff oder gar widerspenstig exponieren. Wer sich nach dem Anlass in den Gängen umhört, stellt fest, dass das Ding haufenweise Fragen aufwirft, auf Skepsis stösst oder Verunsicherung stiftet.

Alle Mitarbeitenden erhalten eine Broschüre mit den neuen Leitgedanken und zurück geht's in den Alltag. Schon am nächsten Tag verkündet Abteilungsleiter X: «Vor lauter Leitgedanken sollten wir die Alltagsarbeit nicht vergessen», und schaufelt damit dem Ding schon kurz nach dessen Geburt das Grab. Nicht selten geht man dann einige Monate später ans nächste Veränderungsprojekt, bis man die ganze Tonleiter von Reengineering bis Total Quality Management durchgeklimpert hat.

Kommunikation ist mehr

Derlei plötzlichem Kindstod liegt eine tragische Verwechslung zugrunde: Information ist nicht Kommunikation. Die Leute, die selbst in gründlicher Abwägung und monatelangen Diskussionen das Ding ausgeheckt haben, von manchem Zweifel geplagt wurden und mehr als eine Idee wieder verworfen haben, bis es ausgebrütet war, muten ihren Mitarbeitenden zu, dieses nun binnen kürzester Zeit zu schlucken und zu verdauen.

Dies ist nicht nur vollkommen unmöglich; eine derartige «Nahrungsaufnahme» wäre auch höchst ungesund. Information ist eine Einbahnstrasse, Kommunikation geht in beide Richtungen. Der Prozess der Kommunikation ist interaktiv und iterativ. Will heissen, er findet, gleich einem Pingpong-Spiel, zwischen Absender und Empfänger statt. Und wie ein Pingpong-Spiel besteht er aus mehr als einem einzigen Ballabtausch.

Emotionen mit einbeziehen

Dass Neuerungen Ängste und Widerstände auslösen können – was Wunder? Skepsis ist dem Menschen angeboren, gehört wohl zu unseren Instinkten. Soll eine Veränderung wirklich greifen, müssen deshalb die Widerstände dagegen überwunden werden, da die z.B. sein können:

- Angst vor Überforderung
- Angst vor Mehrarbeit
- Angst vor Prestigeverlust
- bereits bestehende zwischenmenschliche Probleme
- Probleme mit dem Führungsstil
- Desillusionierung, Verlust der Perspektive
- mangelnde Glaubwürdigkeit der Führung.

Wenn es darum geht, diese Themen offen anzugehen, hört nicht selten auch bei der Führung der Mut zur Veränderung auf. Ironischerweise fehlt jedoch in fast keinem Leitbild ein Satz zu «offener Kommunikation und Mensch im Mittelpunkt». Wer meint, er könne sich um die Auseinandersetzung mit den Widerständen gegen eine beabsichtigte Veränderung herummogeln, findet sich meist einige Monate später wieder aufs erste Feld zurückversetzt. Was als Zeitgewinn gemeint war, entpuppt sich als ärgerliche Verzögerung. Schlimmer noch: In der Zwischenzeit haben die Verunsicherung in der Belegschaft zu- und die Motivation abgenommen, die Glaubwürdigkeit der Führung einen Schlag mehr bekommen. «Kommt uns nicht mehr mit irgendwelchen Programmen», tönt's dann etwa aus dem Personalwald.

Weniger Change-Projekte, weniger Hektik und Schaumschlägerei wären oft mehr. Eine Unternehmenskultur, eine Corporate Identity, ein Verhalten können nicht befohlen werden. Sie werden erst dann wirksam (und das ist ja wohl beabsichtigt), wenn sie von allen Menschen im Unternehmen gelebt werden. Für das jedoch müssen sie verdaut, Teil dieser Menschen selbst geworden sein.

Dies kann nur in einer gründlichen und aktiven Auseinandersetzung mit einem Thema geschehen. Erst wenn wir Gelegenheit haben, unsere «Wenn und Aber» zu einer Frage zu bearbeiten, beginnen wir uns mit einer Idee anzufreunden. Und wir entscheiden nie rein sachlich, sondern unsere Emotionen spielen in diesen Prozess hinein. Das ist bei der Verwaltungsrätin nicht anders als beim Portier. Auseinandersetzung ist nicht delegierbar.

Veränderungen aktiv umsetzen

Was heisst dies bezogen auf die Kommunikation von Veränderungsprozessen? Die Kommunikation muss

- früher beginnen,
- länger dauern,
- in allen Stadien mehr Ideen von unten aufnehmen,
- umstrittene Fragen aktiv behandeln,
- den Sinn der Veränderung klar machen,
- nicht vor den konkreten Umsetzungsfragen halt machen,
- für alle (Führung und Mitarbeitende) verbindliche Schritte festlegen.

Die Führung muss mehr die Richtung vorgeben, als sich in Details zu verlieren. Leider geschieht oft das Gegenteil. Es braucht eine mitreissende Vision für das Unternehmen und die beabsichtigte Veränderung – diese zu finden und zu formulieren ist unübertragbare Pflicht und Privileg der obersten Führung. Hier sollte sich eigentlich festmachen, was das Unternehmen unverwechselbar, in seinem Umfeld einmalig macht. Damit sollte für alle nachvollziehbar werden, wohin der Dampfer steuert. Dass einige Allgemeinplätze plus ein Satz zum erwarteten Return on Equity noch keine Vision ergeben, leuchtet ein.

Je früher eine intensive und zielgerichtete Kommunikation beim Herunterbrechen dieser Vision auf den Unternehmensalltag einsetzt, desto grösser die Erfolgschancen. Wenn Mitarbeitende – gleich auf welcher Ebene der Hierarchie – ihre Ideen einbringen können, verbessert dies das Ergebnis, bestätigt ihnen, dass sie ernst genommen werden, und verankert den Veränderungsprozess nachhaltig. An der Führung ist es, klare Erwartungen
zu formulieren. An ihr auch, auf konkrete Umsetzung des Gedankenguts zu pochen, denn nur was im Alltag wirkt, ist von Bedeutung.

Aus verschiedenen Gründen empfiehlt sich der Beizug einer externen Fachperson zur Begleitung dieses Prozesses. Die Beanspruchung durch das operative Geschäft lässt ihr häufig nicht genug Zeit, die nötigen Kommunikationsprozesse sorgfältig zu begleiten. Zudem ist sie emotional
Teil des Spiels, wird also von den Mitarbeitenden als Partei betrachtet, was deren Wahrnehmung empfindlich stören kann. Und schliesslich hilft ein frischer Blick von aussen, das Wesentliche zu erkennen oder Übersehenes zu berücksichtigen.

Die Erfahrung zeigt, dass Veränderungsprozesse, die auf diese Art abgewickelt werden, vielleicht etwas weniger hastig über die Bühne gehen, dafür im Unternehmen um so tiefer Wurzeln schlagen und sich entsprechend kräftiger entfalten.


Erschienen in «Alpha», 11. April 1998

» appunto unterstützt Sie im Change
Management

» zurück zur vorherigen Seite


Einige interessante Fälle

Swissair-Ende: www.sonntagszeitung.ch/sz/szNewsDossier? dossierid=137
Shell/Brent Spar: www.shell.com/home, Stichwort Brent Spar suchen, Dossier
Absturz Pan Am 103 (Lockerbie): www.geocities.com/CapitolHill/5260/headpage.html oder members.aol.com/seaeje/PA103/index.htm
Rudolf Scharping: www.spiegel.de/spiegel/0,1518,154348,00.html
Thomas Borer: www.spiegel.de/spiegel/0,1518,190611,00.html


nach oben
nach oben

     

appunto communications, Hadlaubstrasse 80, CH-8006 Zürich, Schweiz, Tel. +41 44 363 03 03