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Pierre Freimüller, appunto communications

Krisenkommunikation

Erhabenen Hauptes
durchs Stahlbad

Mit dem Wort «Krise» verbinden die meisten Brände, Zugskollisionen, Naturkatastrophen oder Umweltschäden. Weitaus fordernder ist jedoch eine Krisenart, an die auch die Weitsichtigsten in «Friedenszeiten» niemals denken: die Strategie- oder die Führungskrise. Sie lässt alle vorher erwähnten Krisenarten als Sonntagsschule erscheinen. Die SAir Group macht's vor.

 

Bricht ein Unglück von aussen herein, kann auch das Unternehmen mit dem angeschlagensten Image immer noch der Solidarität zumindest eines Teils der Medien und der Öffentlichkeit gewiss sein. Ganz anders, wenn man die Krise selbst auslösen muss. Wenn die Piloten mitten auf der Strecke umkehren und den Passagieren mitteilen müssen, sie hätten die Instrumente falsch gelesen, der Treibstoff reiche nicht mehr bis zum geplanten Ziel und man müsse jetzt zuerst herausfinden, welcher Flughafen noch angeflogen werden könne. Gnadenlos hagelt's jetzt Kritik.

Jene – sie sind immer sofort zur Stelle – die sagen, sie hätten es schon immer gewusst, helfen nicht. Das Grinsen der Schadenfreudigen macht alles nur noch schlimmer und die klugen Ratschläge der Besserwisser nützen wenig.

Verwirrung total

Für die Kommunikations-verantwortlichen die Quadratur des Kreises: Wie soll man eine solche Situation vorbereiten, nachdem genau die Führungsverantwortlichen entfernt werden, zu denen man bisher engstes Vertrauen hatte? Wem soll man glauben? Was sind ernst zu nehmende Schritte, was Machtspiele einiger, welche die Gunst der Stunde nutzen? Wie kann man begründen, dass fast alles, was gestern richtig war, heute grundfalsch sein soll? Wie lässt sich vor diesem Hintergrund Vertrauen aufbauen und erhalten?

So schwer es scheint, ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, gerade
auch solche Extremszenarien bei der Vorbereitung auf Krisensituationen ernsthaft durchzudenken. Schliesslich gibt es auch immer mehr Zeitgenossen, die sogar für ihren eigenen Tod alles bis ins Detail vorbereiten.

Der durch die Krise ausgelöste Medienrummel wirkt ungünstig auf alle Stakeholder: Er verunsichert und entmutigt die Mitarbeitenden zusätzlich, schreckt die Kunden ab, macht Aktionäre bearish und verleitet Politiker zum Eingreifen. Darum gilt mehr denn je: So stark wie möglich Themenführerschaft wahren. Und das heisst: Den Stier bei den Hörnern packen, Probleme zugeben, nicht beschönigen. Auch zu den Pannen stehen, die in der Hitze des Gefechts den Besten passieren, und sich durch hämische Kommentare nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Unsicherheit eingestehen

Die Bewältigung der schwierigsten Krisen beginnt damit, dass man dazu steht. Es gilt, ein Scheitern zugeben zu können, eine Niederlage zu akzeptieren, Verantwortung für Fehler zu übernehmen, Unsicherheit einzugestehen statt falsche Sicherheit vorzutäuschen, die Zuversicht nicht zu verlieren und die Zukunft resolut anzupacken.

Bei allen Fragen, welche die jüngste Krise bei der SAir Group aufwarf, trotz einiger Patzer, peinlicher Unterlassungen und schwer verständlicher Widersprüche: Die Februar-Ausgabe der Hauszeitung «news» zeugt von einem beispielhaften Umgang mit einer Krise. Da zeigt einmal eine freche Karikatur auf dem Titelblatt einen Moritz Suter, der mit einer Kurbel wie zu Grossvaters Zeiten ein Swissair- Flugzeug ankickt. Und im Innern stehen einige bemerkenswerte Sätze von Personalchef Matthias Mölleney: «Vielerorts dominiert Sprachlosigkeit,
Verwirrtheit, Unsicherheit und auch Unmut und Enttäuschung. Richtig, wir müssen uns allen im Betrieb Raum geben: Raum, um sprachlos zu sein, Raum auch für Spekulationen. Es gibt jetzt die unterschiedlichsten Empfindungen, und alle haben Platz. Es kann geschehen, dass die Gefühlswelten manchmal verrückt spielen. Wir sind dünnhäutig, empfindlich und empfindsam zugleich. Begegnen wir uns mit Respekt.»

Auch Unschönes
beim Namen nennen


Und von Ex-CEO Philippe Bruggisser: «Ich durfte mich entwickeln und entfalten, um in den letzten vier Jahren als Präsident der Konzernleitung die Firma nach bestem Wissen und Gewissen zu führen. In dieser Aufgabe wurde ich von einer motivierten Crew getragen. – Nun, der Verwaltungsrat hat mich abgesetzt.» Und: «Lassen Sie niemals zu, dass Ihr Optimismus erlahmt, denn die Firma braucht Sie alle mehr denn je.» Ebenso offen die Worte von VR-Präsident und Interims-CEO Eric Honegger sowie ein ausführliches Interview der neuen Führungs-Troika zur aktuellen Lage.

Die ungeschminkte Darstellung der Situation legt eine gute Basis für den Aufbau der Zukunft. Die Chance dieser Krise liegt für die SAir Group im souveränen Umgang mit Fehlern der Vergangenheit. Auch das eine wichtige Lehre für die Krisenkommunikation.



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