Bricht
ein Unglück von aussen herein, kann auch das Unternehmen
mit dem angeschlagensten Image immer noch der Solidarität
zumindest eines Teils der Medien und der Öffentlichkeit gewiss
sein. Ganz anders, wenn man die Krise selbst auslösen muss.
Wenn die Piloten mitten auf der Strecke umkehren und den Passagieren
mitteilen müssen, sie hätten die Instrumente falsch
gelesen, der Treibstoff reiche nicht mehr bis zum geplanten Ziel
und man müsse jetzt zuerst herausfinden, welcher Flughafen
noch angeflogen werden könne. Gnadenlos hagelt's jetzt Kritik.
Jene – sie sind immer sofort zur Stelle – die sagen,
sie hätten es schon immer gewusst, helfen nicht. Das Grinsen
der Schadenfreudigen macht alles nur noch schlimmer und die klugen
Ratschläge der Besserwisser nützen wenig.
Verwirrung total
Für die Kommunikations-verantwortlichen die Quadratur des
Kreises: Wie soll man eine solche Situation vorbereiten, nachdem
genau die Führungsverantwortlichen entfernt werden, zu denen
man bisher engstes Vertrauen hatte? Wem soll man glauben? Was
sind ernst zu nehmende Schritte, was Machtspiele einiger, welche
die Gunst der Stunde nutzen? Wie kann man begründen, dass
fast alles, was gestern richtig war, heute grundfalsch sein soll?
Wie lässt sich vor diesem Hintergrund Vertrauen aufbauen
und erhalten?
So schwer es scheint, ich bin überzeugt, dass es sich lohnt,
gerade
auch solche Extremszenarien bei der Vorbereitung auf Krisensituationen
ernsthaft durchzudenken. Schliesslich gibt es auch immer mehr
Zeitgenossen, die sogar für ihren eigenen Tod alles bis ins
Detail vorbereiten.
Der durch die Krise ausgelöste Medienrummel wirkt ungünstig
auf alle Stakeholder: Er verunsichert und entmutigt die Mitarbeitenden
zusätzlich, schreckt die Kunden ab, macht Aktionäre
bearish und verleitet Politiker zum Eingreifen. Darum gilt mehr
denn je: So stark wie möglich Themenführerschaft wahren.
Und das heisst: Den Stier bei den Hörnern packen, Probleme
zugeben, nicht beschönigen. Auch zu den Pannen stehen, die
in der Hitze des Gefechts den Besten passieren, und sich durch
hämische Kommentare nicht aus der Ruhe bringen lassen.
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Unsicherheit
eingestehen
Die Bewältigung der schwierigsten Krisen beginnt damit,
dass man dazu steht. Es gilt, ein Scheitern zugeben zu können,
eine Niederlage zu akzeptieren, Verantwortung für Fehler
zu übernehmen, Unsicherheit einzugestehen statt falsche
Sicherheit vorzutäuschen, die Zuversicht nicht zu verlieren
und die Zukunft resolut anzupacken.
Bei allen Fragen, welche die jüngste Krise bei der SAir
Group aufwarf, trotz einiger Patzer, peinlicher Unterlassungen
und schwer verständlicher Widersprüche: Die Februar-Ausgabe
der Hauszeitung «news» zeugt von einem beispielhaften
Umgang mit einer Krise. Da zeigt einmal eine freche Karikatur
auf dem Titelblatt einen Moritz Suter, der mit einer Kurbel
wie zu Grossvaters Zeiten ein Swissair- Flugzeug ankickt. Und
im Innern stehen einige bemerkenswerte Sätze von Personalchef
Matthias Mölleney: «Vielerorts dominiert Sprachlosigkeit,
Verwirrtheit, Unsicherheit und auch Unmut und Enttäuschung.
Richtig, wir müssen uns allen im Betrieb Raum geben: Raum,
um sprachlos zu sein, Raum auch für Spekulationen. Es gibt
jetzt die unterschiedlichsten Empfindungen, und alle haben Platz.
Es kann geschehen, dass die Gefühlswelten manchmal verrückt
spielen. Wir sind dünnhäutig, empfindlich und empfindsam
zugleich. Begegnen wir uns mit Respekt.»
Auch Unschönes
beim Namen nennen
Und von Ex-CEO Philippe Bruggisser: «Ich durfte mich entwickeln
und entfalten, um in den letzten vier Jahren als Präsident
der Konzernleitung die Firma nach bestem Wissen und Gewissen
zu führen. In dieser Aufgabe wurde ich von einer motivierten
Crew getragen. – Nun, der Verwaltungsrat hat mich abgesetzt.»
Und: «Lassen Sie niemals
zu, dass Ihr Optimismus erlahmt, denn die Firma braucht Sie
alle mehr denn je.» Ebenso offen die Worte von VR-Präsident
und Interims-CEO Eric Honegger sowie ein ausführliches
Interview der neuen Führungs-Troika zur aktuellen Lage.
Die ungeschminkte Darstellung der Situation legt eine gute Basis
für den Aufbau der Zukunft. Die Chance dieser Krise liegt
für die SAir Group im souveränen Umgang mit Fehlern
der Vergangenheit. Auch das eine wichtige Lehre für die
Krisenkommunikation.
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